8. März 2010
Über Zahlen spricht man nicht.
Mit über 3 Millionen Kunden werben die 37signals, internationales Aushängeschild unserer Branche, auf ihrer Site. Wieviele dieser Kunden allerdings tatsächlich die kostenpflichtige Version ihrer im Freemium-Modell angebotenen Webanwendungen wie Basecamp, Highrise et al einsetzen, erfährt man nicht. Das jüngere, ebenfalls im Freemium-Modell angebotene Evernote, ein intelligentes »Remember-everything«-Notizbuch, zählte im Sommer 2009 laut New York Times etwa 500.000 Nutzer. Selbst ein monatlicher Umsatz von $79.000 deckte jedoch nicht die eklatanten Server- und Personalkosten, die solch eine Nutzerschaft erforderlich macht: Unterm Strich schrieb Evernote rote Zahlen.
Doch was ist mit den Kleinen der Branche? Denjenigen, die ebenfalls Software as a Service anbieten, jedoch nicht auf Freemium-Modelle setzen und nicht 5 Kunden für 95 Nutzer mitzahlen lassen? Was für Kundenzahlen und Wachstumsraten sind realistisch erreichbar, fernab von weltweiten Top-Ten-Listen und VC-getränkten Werbefeldzügen? Kann man mit einem rein kostenpflichtigen Angebot im Netz wachsen, auch ohne Hunderttausende Weitersager im Rücken? Sind genügend Geschäftskunden heute bereit dazu, für ein Angebot wie mite die Kreditkarte zu zücken? Genügend, um als kleines motiviertes Team von solch einer Unternehmung stabil leben zu können?
Motivation
Vor Gründung unseres Yolk hätten wir Sonstwas dafür gegeben, echte, detaillierte Zahlen bestehender Jungunternehmen einsehen zu können. Zahlen, die auch Einblick in die ersten Monate gewähren und die Entwicklung verständlich werden lassen, nicht nur ein wie auch immer geartetes Zwischenergebnis präsentieren. Auf Basis solcher Zahlen hätten wir unsere eigenen Annahmen und Schätzungen auf reale Erfolge – oder Misserfolge – stützen und so realistischer planen können. Wir fanden solch Zahlen nicht.
Nun denn. Öffnen wir selbst unsere Bücher. Nicht nur einen Spalt weit, sondern konsequent. Und helfen damit hoffentlich Nächsten bei ihrer Entscheidung, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Alle – durchaus vorhandenen – Bedenken vor solch einem Schritt hin oder her: Wir sind überzeugt für die offene Weitergabe von Erfahrung und Erkenntnissen, und möchten unseren Teil beitragen. Freiwillig. Auch, wenn’s ans Eingemachte geht.
Unsere Zahlen
Neue Probe-Accounts pro Monat
30 Tage lang kann mite unverbindlich getestet werden, in vollem Umfang. Keine Kreditkarte ist zur Erstellung eines Probe-Accounts vonnöten – ein Punkt, den wir für überaus wichtig halten, denn wer möchte schon vorab, rein zum Testen, seine Zahlungsdaten einem Dienst anvertrauen? Den Erstellungsprozess eines Accounts versuchen wir so einfach als möglich zu halten, um möglichst viele Interessierte dazu zu bewegen, mite in Aktion auszuprobieren. Design lässt sich so viel klarer selbst erklicken als beschreiben.
Conversion: Vom Tester zum zahlenden Kunden
Die Erstellung eines Probe-Accounts ist Hürde Nummer 1 – doch wieviele Nutzer werden tatsächlich zu Kunden? Diese Frage war die mit Abstand am schwierigsten für uns vorab einschätzbare. Im Freemium-Modell gelten 5% als guter Wert. Wir erwarteten mit unserem »Entweder-Oder-Angebot« einen deutlich höheren Wert. Und pokerten auf 10%. Als sich rein an Geschäftskunden wendender Dienst mit klarem, auch finanziellen Nutzen durch mehr festgehaltene, abrechenbare Stunden hielten wir diesen Wert für ehrgeizig, aber nicht traumtänzerisch.
Die Realität der ersten 20 Monate?
Eine Conversion Rate von fast 20%. Etwa jeder fünfte bis sechste Probeaccount wird bei mite tatsächlich zahlend.
Ausschlaggebend für diesen sehr hohen Wert ist unserer Einschätzung nach vor allem die Qualität unseres Traffics. Der Großteil der die Webseiten von mite Besuchenden gelangt über eine persönliche Empfehlung zu uns – sei es über ein Blogposting, einen Tweet, ein Forum oder – unseren herzlichen Dank! – über den Tipp einer Kollegin, eines freien Mitarbeiters oder eines Kunden, der unsere Zeiterfassung bereits einsetzt. Werbung schalten wir nicht und investieren stattdessen ausschließlich in ein kontinuierlich verbessertes Produkt samt engagiertem Service.
Anzahl zahlender Accounts & Nutzer
mite ist teamfähig; Gebühren werden je Account pro aktiviertem Nutzer fällig, daher ist für uns die wichtigste Ziffer nicht die der zahlenden Accounts sondern die der zahlenden Nutzer. Im Februar kratzen wir an der 3.000er-Marke.
Nutzer pro Account
Im Schnitt arbeiten aktuell etwa 2,6 Nutzer auf einem Account, doch dass dieser Schnitt in unserem Falle wenig bis keine Aussagekraft hat, zeigt obiges Chart. Etwa 24% aller Nutzer sind Einzelkämpfer. Unsere größten Accounts zählen aktuell über 50 Nutzer.
Einnahmen / Ausgaben pro Monat
Wir sind keine Exponentialkurve. Wir wachsen linear, und fühlen uns pudelwohl damit. Die Tendenz passt. So gut, dass wir unser Zweierteam durch einen dritten Mitstreiter verstärken möchten.
Feedback?
Keine Frage: Uns in aller Öffentlichkeit so nackt zu machen, kostet Überwindung. Kein Platz bleibt nach diesem Posting mehr für vage Aussagen, es liefe »ganz gut«. Wir hoffen, dass es euch das wert war!
Und freuen uns umso mehr über eure Kommentare: Hilft euch solch Transparenz? Welche Zahlen überraschten, was waren eure Annahmen? Was nehmt ihr für euch mit aus diesem Posting? Und… wie sieht’s bei euch aus?
Julia in In eigener Sache
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